19. blicke filmfestival des ruhrgebiets: Vom 24. - 27. November 2011

Ein Pressefoto aus dem vergangenen Jahr zeigt den Fußballstar Raúl, wie er bei seiner Vorstellung auf Schalke von einem Bergmann begrüßt wird. Beide sehen nicht glücklich aus: Der moderne Ballsportler im feinen Zwirn lächelt, als treffe er jemanden von einem anderen Stern; der angestaubte Bergmann im schmutzigen Overall scheint sich gerade bewusst zu werden, dass man ihm kurz zuvor Kohle ins Gesicht geschmiert hat und dass es ihn so überhaupt nicht mehr gibt. In Bochum wurde beispielsweise die letzte Zeche vor fast vierzig Jahren dichtgemacht. Nun soll aber wieder gebohrt werden: Keine Kumpel gehen dabei ans Werk, sondern Geothermiker, die auf einem großen Feld neben der Ruhr-Uni bis zu 5000 Meter in die Erde vorstoßen wollen, um die dortigen, hohen Temperaturen zur Wärmegewinnung zu nutzen. Mikrobeben, die mit den Bohrungen einhergehen, werden in Kauf genommen und seien kein Problem. Ja, ein Wissenschaftler meint sogar, im Ruhrgebiet hätten die Menschen Erfahrung mit Erdstößen, die schon immer durch den Bergbau ausgelöst wurden. Die Mikrobeben der Geothermie werden sie deshalb kaum erschüttern. Nun, ein kleines Beben verspüren gerade auch die Film- und Kinofreunde. Das Päckchen mit dem Sprengsatz heißt „Digital Cinema Package“, kurz DCP. Die Ansammlung von Dateien soll die Kinowelt verändern und vor allem in der Zukunft die 35mm-Filmkopie ersetzen. Keine schweren Kartons mit Filmrollen mehr, deren Bildstreifen reißen, beschädigt oder schmutzig werden können, stattdessen schicke, saubere Bilder vom Server, die manchem Filmfreund allerdings seltsam seelenlos erscheinen. Ein Gespür für das neue Bild müsse vom Zuschauer erst noch entwickelt werden, heißt es gerne, insbesondere die 3D-Effekte ermöglichen ganz neue Seherfahrungen. Vergleichbar sind die unterschiedlich projizierten Bilder allerdings nicht! Bochum ist in punkto Kinodigitalisierung vielen anderen Städten übrigens durchaus voraus, ist doch das „Metropolis“ im Hauptbahnhof eines der wenigen Arthouse-Kinos bundesweit, das bereits auf hohem Niveau digital und auch in 3D vorführen kann. Nur fehlt hier bislang die lohnenswerte Anzahl von Filmen: Pina Bauschs Tänzer, die Berliner Philharmoniker und eine französische Höhle waren bisher die einzigen 3D-Attraktionen im Filmkunstbereich. Und, waren das filmisch und vor allem erzählerisch wirklich Attraktionen? Die Frage, die sich aber insgesamt stellt, ist recht einfach: Warum muss es eigentlich ein Entweder-oder geben? Warum ganz auf die 35mm-Projektion verzichten? Kann es nicht ein Nebeneinander geben? Oder, um es noch präziser zu formulieren, ist es nicht die Vielfalt der Formate, von der ein neuer Reiz ausgehen kann? Filmfestivals wie „blicke“ waren schon immer für alle Formate offen und für jedwede Innovation zu haben: die kurze Animation, das hautnahe Homevideo-Porträt, das professionelle Fernsehfeature, der grobkörnige 16mm-Film oder das fettproduzierte Hochschuldiplom als 35mm-Kopie. Im aktuellen Wettbewerbsprogramm ist nur noch eine Filmprojektion von 16mm zu finden, ansonsten dominieren die Digitalformate. Sind die dann eigentlich alle sogenannte „Medienkunst“? Der Begriff bezeichnet schließlich künstlerische Arbeiten, die sich der Medien bedient, die hauptsächlich im neuen Jahrhundert entwickelt wurden. Konsequenterweise hat sich „blicke“ in diesem Jahr wieder vom „Medienkunst“-Preis verabschiedet und die Preis-Struktur neu geordnet. Noch konsequenter und geradezu wegweisend ist es aber, dass beim diesjährigen Festival der Super8-Film sein Comeback feiert! So wie inzwischen Raúl und weitere frische Kameraden im Zusammenspiel mit den „alten Hasen“ ein neues Team geformt haben, haben die neuen Kinoformate mit ihren filmischen Möglichkeiten und möglichen Unfertigkeiten ihren festen Platz im Platz im Programmkanon von „blicke“ gefunden. Glück auf! – Vorwort von Dirk Steinkühler

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