ausgezeichnet mit dem ein-blicke-Preis: Nichts Neues
Die Jury vergibt den ein-blicke-Preis des 30. blicke filmfestivals, dotiert mit 2.000€, an NICHTS NEUES von Lennart Hüper.
Begründung der Jury:
Erbarmungslos dreht sich die Waschmaschinentrommel. Ein Mann faltet Wäsche, aus dem Radio klingt die Geschichte Sisyphus’, dessen Arbeit niemals endet. Diese trifft auch auf die auf Malta zwangsvertäute Crew der Lifeline zu, deren Leben in Warteschleife Lennart Hüper in NICHTS NEUES einfängt: Ernüchternder Alltag zwischen aktivistischer Praxis, administrativer Gleichgültigkeit und dem andauernden Sterben im Mittelmeer. Wo Menschen gerettet werden könnten, werden Putzpläne erstellt, das Deck geschrubbt, Gitarre gespielt. Kapitän Claus-Peter Reisch reibt sich indes auf der Suche nach einem Vokabular für das scheinbar Selbstverständliche auf. Resilienz im Bewirtschaften einer bleiernen Ausnahmesituation. Die Crew bleibt einsatzbereit, das Schiff im Hafen. Hüper vermittelt das ermüdende, und dabei wesentliche Klein-Klein politischer Arbeit. Die Montage verwebt die Absurdität des Wartens und die Hoffnung, humanitäre Arbeit wieder aufnehmen zu können, mit der Beständigkeit einer sturen Verhinderungsbürokratie. Die Kamera verfolgt, wie sich sorgenloser Kreuzfahreralltag vor den Blick auf politische Realitäten schiebt. Währenddessen bleibt die Nachrichtenlage unverändert: Menschen ertrinken vor Europa, Seenotrettung wird von Behörden behindert. NICHTS NEUES geht subtil den Strukturen der politischen Verwicklung nach, involviert seine Zuschauer:innen in das Geflecht von erzwungener und gewählter Untätigkeit.
Claus-Peter Reisch, Kapitän des Seenotrettungsschiffes “Lifeline”, muss sich vor Gericht verantworten. Solange der Prozess läuft, sitzt das Schiff im Hafen von Malta fest. Ein schnelles Urteil wird es wohl nicht geben. Der Crew bleibt nur eines: Warten. Sie sitzen fest, während nur wenige Seemeilen entfernt Menschen auf ihrem Weg nach Europa ertrinken.
LENNART HÜPER wurde 1994 in Landsberg am Lech geboren und studierte Film&Sound an der FH Dortmund. NICHTS NEUES ist sein Abschlussfilm. Derzeit arbeitet er als freischaffender Kameramann und Regisseur und studiert Soziologie an der Universität Wien.
Länge: 81'00''
Produktionsjahr: 2021
Produktion: FH Dortmund, Eigenproduktion
Kamera: Lennart Hüper
Ton: Henning Grossmann, Luca Reppenhorst
Schnitt: Jana Libnik