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29. BLICKE - DIE PREISTRÄGER*INNEN 2021

veröffentlicht am

Am Samstagabend wurden im endstation.kino folgende Preise vergeben:

Der ein-blicke-Preis für Filme mit biografischem und/oder thematischem Bezug zum Ruhrgebiet, dotiert mit 2.000 €, geht an

MENSCH HORST von MO RHOZYEL & CHRISTOPH PHILIPP GEHL, 2021, 44:06 Min.

Begründung:
Ein Dokumentarfilm, der uns daran erinnert, dass die überwiegende Mehrheit des Lebens nicht glänzt oder funkelt. Im Gegenteil, sie werden oft in einer undurchsichtigen Einsamkeit verbraucht. Leben, in dem es keine Weitwinkelaufnahme gibt, in dem man sich verlieren kann, sondern nur „Details“, „Fragmente“, die so eng sind wie Gefängniszellen und aus denen man keine Hilfe bekommen hat (oder leider keine Zeit mehr hat) um herauszukommen. In diesen Fällen wirkt die Kamera (zum Glück) wie ein Lupenglas, das uns entdecken lässt, was wir sonst nie sehen würden, und gleichzeitig diesen Existenzen den verdienten Glanz verleiht.

Der aus-blicke-Preis für Filme ohne biografischen oder inhaltlichen Bezug zum Ruhrgebiet mit einer maximalen Länge von 45 Min., dotiert mit 1.000 €, geht an

DOOM CRUISE von SIMON STEINHORST & HANNAH STRAGHOLZ, 2021, 16:45 Min.

Begründung:
Kreuzfahrt ins Nichts, das Ende naht unausweichlich. But still – „the show must go on“. Aus unsichtbaren Lautsprechern beteuert ein von Selbstzweifeln geplagter Käpt‘n er hab die Lage unter Kontrolle. Drei Kinder begehen ein trilinguales Abschiedsritual. In Ihrem wunderbar schrägen Animationsfilm verführen uns Hannah Stragholz und Simon Steinhorst mit erratischem Pinselstrich und präzisem Sounddesign zu einer schillernden Reise in den Abgrund und verweisen dabei metaphorisch auf die Themen unserer Zeit.

Der gender&queer-Preis, gestiftet von der Gleichstellungsstelle der Stadt Bochum, dotiert mit 500 €, geht an

OMA von LENIA FRIEDRICH, 2021, 5:42 Min.

Begründung:
„Die Frau muss Magd und Dienerin des Mannes sein“ sagte Ihr Vater einst! Schwere Zeiten als junge Frau, dessen Ehemann „eheliche Pflichten“ im Bett einforderte. „Ich habe immer nur für andere gelebt“, reflektiert heute die Ehefrau und Mutter von damals.
Fotos aus den 50ern mischen sich mit der unverkennlichen Handschrift der Filmemacherin zu einer Mischung aus Oberflächlichkeit und Animation. Erst das Gespräch mit der Großmutter offenbart die Geschichte, die sich hinter den Bildern verbirgt und was es hieß, Ehefrau und Mutter in der jungen BRD zu sein.
In dieser äußerst wichtigen und tief in die deutsche Vergangenheit gehenden Geschichte sehen wir ein intimes Porträt zwischen Großmutter und Enkelin. In dem Dialog dieser beiden Frauen unterschiedlicher Generationen stellt der Film die Frage, inwiefern sich das Rollenbild von Frauen bis heute verändert hat. Die Gesellschaft ist heute zum Glück weiter; der Weg ist aber längst noch nicht zu Ende gegangen.

Der WEITBLICK, der trailer-ruhr-Preis für den ungewöhnlichen Blick, dotiert mit 600 €, geht an

TRANSITIONS von AURÈLE FERRIER, 2017, 12:48 Min.

Begründung:
Unheimlich, apokalyptisch, eine seltsame Stille, menschenleere Straßen, Parkplätze und Bürgersteige. Ein ruhige, aber stetig voranschreitende Kamera, die klare Bilder liefert und unsere Wahrnehmung fördert, zeigt uns einen ganz besonderen Übergang und gibt uns Zeit, diesen zu begreifen. Den Wechsel von einer lebensfeindlichen Wüstenlandschaft zu einer ebenso unwirtlichen Stadtlandschaft. Der Film wirkt metaphorisch wie eine Plansequenz, obwohl er aus mehreren langen Einstellungen besteht und erzeugt mit seinem ruhigen Tempo und dem reduzierten Umgang mit Ton eine soghafte Spannung. Wir erkunden Las Vegas vom Nichts einer kargen Wüstenlandschaft aus auf Wegen, die wir so noch nicht gesehen haben.
20. November 2021, Die Jury: Geremia Carrara, Philipp Peissen, Lina Sieckmann

Der FUNDSTÜCKE-PREIS, vergeben von der Auswahlkommission, dotiert mit 500 €, geht an

SELINA von GRETA BENKELMANN, 2021, 24:52 Min.

Mit dem Fundstücke-Preis werden Filme ausgezeichnet, die besonders überrascht haben, die etwas Neues wagen und die wir deshalb unbedingt dem blicke-Publikum präsentieren wollen.
Wir, die Auswahlkommission, vergeben den diesjährigen Fundstücke-Preis an einen Film, der uns in verschiedene Milieus entführt, ohne dass sie zu einem Klischee verkommen. Er zeigt Lebenswelten, die uns zunächst vielleicht fremd sind, die der Film uns aber durch das feine Schauspiel und die gelungene Schauspielführung näherbringt. Der Film beinhaltet ein Überraschungsmoment, das uns gefesselt zurücklässt. Er streift verschiedene Themenkomplexe des Feminismus, ohne dass er moralisierend erscheint. Die Machtbeziehungen kommen mal sehr klar hervor, mal zeigen sie sich in Nuancen. Gewalt, Klassismus, toxische Beziehungen – trotz der erdrückenden Problematiken schafft es der Film, die Zwischentöne zu beleuchten, verschiedene Dimensionen aufzuzeigen. Es gibt kein Happy End, dennoch gibt es Hoffnung auf Selbstermächtigung. Und es gibt süße Kaninchen, aber davon haben wir uns selbstverständlich nicht beeinflussen lassen! Und nein, wir haben uns nicht vom süßen Kaninchen beeinflussen lassen!

Der PUBLIKUMSPREIS, gestiftet vom Bahnhof Langendreer, dotiert mit 350 €, geht an

BERÜHR’ MICH von HENDRIK STRÖHLE, 2020, 27:44 Min.