32. blicke filmfestival des ruhrgebiets: Vom 20. - 24. November 2024

Die 32. blicke filmfestival des ruhrgebiets fand vom 20. bis 24. November statt. Bei der Preisverleihung am Festivalsamstag, den 23. November vergab die Jury aus Cathrin Ernst, Fatima Çalışkan und Oliver Gather vier Preise und sprach eine lobende Erwähnung aus, auch die Auswahlkommission und das Festivalpublikum zeichneten Filme aus. Wir gratulieren den Preisträger*innen!

Download Programm 2024

Preisträger

Outside

Maria Mayland

2024 | 29'51'' | deutsch

Ungewollte Verwandtschaft

Pavel Mozhar

2024 | 30'00'' | deutsch, ukrainisch, russisch mit dt. UT

Fasolákia

Maximilian Karakatsanis

2023 | 39'05'' | deutsch, griechisch mit dt. UT

Eine Einzelne Tat

Constanze Wolpers

2023 | 19'12'' | deutsch, kurmandschi mit dt. UT


Begründungen der Jury & Auswahlkommission



Der ein-blicke-Preis für Filme mit biografischem und/oder thematischem Bezug zum Ruhrgebiet, dotiert mit 2.000€, gestiftet vom SAE Institute Bochum geht an:

OUTSIDE von Maria Mayland

Das Ruhrgebiet als Simulationsfläche - als was geben wir uns aus, wo glauben wir, uns zu verorten? Der Preistragende Film ist ein Erzählen über das Erzählen: Menschen berichten und urteilen über eine Person, die vorgab, jemand anderes zu sein, um zu einer Gruppe zu gehören, deren Teil sie möglicherweise sonst niemals hätte werden können. Wir lernen das Lebensspiel dieser Person kennen, die die Aneignung grausamster Teile unserer Geschichte für ihre eigene Überhöhung nutzt. Im Glauben, dass ihre eigene grausame Geschichte in unserer Welt nicht ausreicht. Der Film führt uns formal streng, konsistent und detailreich vor, wie wir uns bereitwillig einlullen lassen in Fiktionen. Bis auch wir nicht mehr wissen, was an der Projektion vor uns real und was montiert wird.

Eine lobende Erwähnung in der Kategorie ein-blicke geht außerdem an:

TENERIFFA von Sandra Riedmair

In der Kategorie Einblicke möchten wir einen Film lobend erwähnen, der bei uns durch seine lustvolle Auseinandersetzung mit Einsamkeit einen Eindruck hinterlassen hat. Leichtgängig, witzig und klug wird das Spiel mit entschlossener Abgrenzung und skurriler Kontaktaufnahme an Belgiens — Pardon, Teneriffas - Hochhausküste erzählt.


Der aus-blicke-Preis für Filme ohne biografischen oder inhaltlichen Bezug zum Ruhrgebiet, dotiert mit 1.000€, geht an:

ICH HÄTTE LIEBER EINEN ANDEREN FILM GEMACHT von Suse Itzel

Der Preis in der Kategorie ausblicke geht an eine Videoarbeit, die uns Zusehenden in die Verantwortung nimmt. Ein Film, der nicht verrätselt, sondern sucht – der Risiken eingeht und der künstlerischen Auseinandersetzung Raum gibt und sie filmisch zu vermitteln mag. Schatten und Lücken durchqueren die Räume, Gewesenes erschüttert die Regale. Kein Spuk: ein Trauma. Eine Zumutung, eine Forderung: Wir müssen sexuellen Missbrauch im familiären Umfeld benennen, wir müssen hinsehen und schützen. Wir verleihen den Preis einem Film, der uns in seiner künstlerischen Qualität überzeugt hat und dessen Notwendigkeit uns schmerzt.
Der WEITBLICK, der trailer-ruhr-Preis für den ungewöhnlichen Blick, dotiert mit 650 €, geht an:

UNGEWOLLTE VERWANDTSCHAFT von Pavel Mozhar

„Wie muß ich mich dieser Verwandtschaft stellen? Ich weiß  es nicht.“ So endet der Film, und er eröffnet damit die Frage an uns alle: Was haben wir mit dem Krieg in der Ukraine zu tun? Der Autor sieht sich durch seine belarussische Verwandtschaft und seine militärische Sozialisation als Kind in einer ungewollten Verbindung mit den Tätern. Anstatt den Blick auf das Geschehende mit dokumentarischen Kriegsbildern wachzuhalten, setzt er sich und uns mit anderen Mitteln in ein Verhältnis mit dem Geschehen. Kriegsszenen werden recherchiert und modellhaft in einem Berliner Sandkasten rekonstruiert. Fern von Actionszenen, sachlich und formal, ausschnitthaft aber präzise, werden Szenen von Erschießungen und Folterungen reenacted. Der Film ist ein eindringlicher Ansatz, die massiv verstörenden Handlungen des Kriegs körperlich nachzuvollziehen.
Der gender&queer-Preis, gestiftet vom Referat für Familie, Gleichstellung und Inklusion der Stadt Bochum, dotiert mit 500€, geht an:

CONFESSIONS OF PIA ANTONIA von Artiom Zavadovsky

„Wie passen deine Kunst und mein Film zusammen?“ Eine Handvoll Kunststudierender entführt uns ins Wohnzimmer einer Frau, die weiß, dass man nur dieses eine Leben hat. Ohne große Umstände laden sie uns ein, die nie ausgestellten Bilder, die bei anderen Besuchen unter Laken verschwinden, in Betracht zu nehmen. Der gender&queer-Preis, gestiftet vom Referat für Familie, Gleichstellung und Inklusion der Stadt Bochum geht an eine Arbeit, die mit viel Humor, dabei präzise und unprätentiös Verhältnisse in den Blick nimmt und ermutigt, sich Ausdruck zu verschaffen und zu seiner Arbeit zu stehen.
Der Fundstücke-Preis, vergeben von der Auswahlkommission, dotiert mit 500 € und gestiftet vom Rotary Club Bochum-Hellweg e.V., geht in diesem Jahr an:

FASOLÁKIA von Maximilian Karakatsanis

Der Film, den wir auszeichnen möchten, gibt uns am Anfang zunächst etwas zu hören. Ein Gespräch über ein einfaches Gericht, klapperndes Besteck, interessierte Nachfragen zum richtigen Verhältnis von Wasser und Olivenöl. Dann die ersten Aufnahmen: Efeubewachsene Fassaden, die in der Nachmittagssonne leuchten. Heruntergelassene Jalousien, das Schattenspiel der Baumkronen auf einer Mauer. Eine ausgeräumte Wohnung, das tiefblaue Meer, zirpende Grillen in den Heuwiesen, vergilbte Dokumente in Schreibmaschinenschrift. Nicht viel braucht es in diesem hochkonzentrierten Film, um das Publikum auf eine Reise mitzunehmen. Die atmosphärisch dichten Bilder, gedreht auf 16mm-Analogfilm, setzen eine autobiografische Suchbewegung in Gang. Behutsam nähert sich der Filmemacher dem eigenen Großvater, der als Gastarbeiter von Griechenland nach Deutschland auswanderte. Die kluge Montage verknüpft Gestern und Heute, Herkunft und Fortgehen, Bleiben und Zurückkehren. In der Geschichte des Großvaters entfaltet sich die Geschichte einer Generation – die noch in den Enkeln fortwirkt, die sich heute, mit der Filmkamera, wieder auf die Suche nach den Großeltern machen. Der Film überführt die Fragen und Antworten auf beeindruckende Weise in Bilder, die Raum und Zeit lassen, nichts festlegen, niemanden bevormunden, und das Große eher im Kleinen, Unscheinbaren entdecken.
Der Publikumspreis, gewählt vom Festivalpublikum, gestiftet vom Bahnhof Langendreer, dotiert mit 400€, geht an:

EINE EINZELNE TAT von Constanze Wolpers


Jury

Cathrin Ernst

lebt und arbeitet im Ruhrgebiet. Sie studierte in Bochum, Budapest, Wuppertal und Wien, zuletzt mit dem Schwerpunkt Bildungstheorie und Kino. Seit 2014 ist sie in verschiedenen Kontexten als Filmvermittlerin, Kulturarbeiterin und Dozentin tätig –  unter anderem für die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen und die Duisburger Filmwoche/doxs!. Sie ist Teil des soziokulturellen Kunsthaus Makroscope in Mülheim an der Ruhr und veranstaltet dort seit 2022 mit Filmemacherin Maria Mayland die Reihe “Film:gesellschaft”.

Fatima Çalışkan

ist Moderatorin, Performerin und Autorin. Zu kunst- und kulturpolitischen Themen schreibt sie Analysen und Essays, u.a. für die Kulturpolitische Gesellschaft, oder entwickelt dramatische und satirische Texte für freie Produktionen. Fatima Çalışkan ist Mitgründerin und Mitherausgeberin der Zeitschrift YallahSalon. Sie moderiert verschiedene Gesprächs- und Präsentationsformate für Bühne, Audio und Video. Als Performerin und Dramaturgin kollaboriert Çalışkan mit verschiedenen Produktionen der freien Szene, u.a. an der Volksbühne oder am Ballhaus Ost, und inszeniert darüber hinaus eigene Arbeiten. (c) Foto: Ana Maria Sales Prado

Oliver Gather

studierte Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf und realisiert seitdem  installative und audiovisuelle Projekte, die bei zahlreichen Screenings auf Festivals und im Museumskontext gezeigt werden. Seine Arbeit umfasst filmische Studien und Hörstücke sowie ortsspezifische Installationen und Interventionen, die er fast immer mit einem filmischen Werk verknüpft. Derzeit schließt er sein Langzeitprojekt "Der Schmuckeremit im Edelsteingarten" (2021-2024) im Rahmen des renommierten Programms Stadt.Bild.Intervention der Stadt Pulheim ab. Gather lehrt im Fachgebiet „Performative Künste“ an der Hochschule Düsseldorf.